Top-down-Prozess

– Technik trifft Biologie

Wie lösen Ingenieure technische Probleme?  Manchmal nimmt der Ingenieur Kontakt zu einem  Biologen auf. Zusammen können sie herauszufinden, ob die Natur dieses Problem im Laufe der 3,8 Milliarden Jahre biologischer Entwicklungszeit bereits gelöst hat. Aus der gemeinsamen Arbeit können neue Lösungsvorschläge für technische Fragen oder Verbesserungsvorschläge für bereits bestehende Produkte entstehen.

Ein solcher bionischer Entwicklungsprozess, bei dem ein bereits bestehendes funktionierendes technisches Produkt durch die Übertragung biologischer Prinzipien neue oder verbesserte Funktionen erhält, nennt man „Top-down-Prozess„. Ein Beispiel ist der „Bionische Streuer“.

Entwicklungsprozess des bionischen Streuers © Plant Biomechanics Group Freiburg

Entwicklungsprozess des bionischen Streuers © Plant Biomechanics Group Freiburg

 

Das technische Problem: Gleichmäßiges Streuen 

Der Münchner Biologe Raoul Heinrich Francé (1874-1943) hatte die Aufgabe bekommen eine Bodenfläche gleichmäßig mit wie man es damals nannte „Kleinstlebewesen“ zu beimpfen. Aber alle Streuer und Zerstäuber, die er ausprobierte, verteilten die Kleinstlebewesen nicht gleichmäßig genug. Weil er mit dem Ergebnis nicht zufrieden war, schaute er sich in der Natur um und nahm sich die Mohnkapsel als Vorbild.

Vorbild Natur: Die Mohnkapsel

Jede Mohnkapsel ist mit einer Vielzahl von Samen gefüllt. Sobald die auf einem langen Stängel sitzende Mohnkapsel durch Wind oder Berührung bewegt wird, fallen die Samen durch kleine Poren am oberen Ende der Kapsel heraus und werden gleichmäßig auf der Erde verteilt.

Bionisches Produkt: Der „Neue Streuer“

Raoul Heinrich Francé zeichnete nach dem Prinzip der Mohn­kapsel einen Streuer und erhielt dafür 1920 das erste deutsche Patent für eine bionische Erfindung.

Nachgefragt: Gibt es den Streuer zu kaufen?

Soweit bekannt, wurde der Streuer nie hergestellt. Bekannt ist lediglich die Zeichnung, die Francé in seinem Buch „Die Pflanze als Erfinder“ 1920 veröffentlichte.

Stimmt das: Der Salzstreuer ist bionisch?

Ja und nein. Francé schreibt in seinem Buch „Die Pflanze als Erfinder“. „… Ich zeichnete einen Streuer für Salz, für Puder und sonst medizinische Zwecke nach dem Modell der Mohnkapsel …“. Dennoch scheint seine Erfindung als Salzstreuer nicht geeignet, denn ein Salzstreuer soll ja punktgenau zum Beispiel das Frühstücksei treffen und nicht gleichmäßig den Frühstücksteller berieseln. Francé wollte aber genau dieses gleichmäßige Streuen haben.

Spannend: Die Erfindung des Salzstreuers

Der Salzstreuer weist mittlerweile eine 100jährige Geschichte auf. Vor der Erfindung der Streuer wurde Salz in einem Salzfass oder in einer geschmückten Schale in Form eines Schiffes, dem Salzschiff, am Tisch serviert. Die Eigenschaft des Salzes Feuchtigkeit aus der Um­gebungs­luft aufzunehmen, so dass die Salzkörner miteinander verklumpen, stand der Verwendung der Streuer lange im Wege. So gingen dem Streuer zuerst einmal verschiedene Erfindungen voraus, die dazu dienen sollten, entweder die Salzklumpen am Tisch wieder aufzubrechen oder das Verklumpen von vorneherein zu verhindern. Die ausschlaggebende Erfindung kam 1911. Der amerikanische Salzhersteller Morton-salt entwickelte die Rieselfähigkeit des Salzes durch Zusatz von Trennmitteln. Ab diesem Zeitpunkt konnten sich Salzstreuer als Hausgebrauchsgegenstände enorm weiterentwickeln.

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